Die Sitzungen der europäischen Zentralbank werden immer mit Spannung erwartet. Ob der Sitzungsrat beschließt, den Basiszinssatz stabil zu halten, ihn zu erhöhen oder zu erniedrigen und um wie viel Zähler, hat nämlich direkte Auswirkungen auf die aktuellen Spar- und Kreditzinsen der deutschen Banken. Dieser Leitzins, der nun schon längere Zeit bei vier Prozent liegt, ist der Zinssatz, zu dem die Banken sich Geld bei der Notenbank leihen können. Der Basiszins der EZB wirkt sich also auf die Banken unmittelbar aus. Ist der Zins niedrig, können die Geldinstitute billig an Geld heran kommen und sind auch in der Lage, ihren Kunden niedrigere Kreditzinsen anzubieten. Steigt der Leitzins dagegen an, so verteuern sich auch die Verbraucherkredite.
Es ist zu beobachten, dass die Banken sehr schnell die Kreditzinsen nach oben schrauben, dagegen mit zeitlicher Verzögerung die Sparzinsen anheben. So sieht man häufig keine höheren Sparzinsen auf seinen Tagesgeldkonten in den ersten Wochen nach einer Zinsanhebung durch die EZB. Mit der Anhebung der Sparzinsen lassen sich viele Banken Zeit. Schließlich erhöht das ihre Gewinnspanne. Die Festlegung des Zinssatzes durch die Zentralbank hat nicht auf alle Geldanlagen Einfluss. Langfristige Kredite und Festgeldanlagen sind durch die Entscheidungen der EZB nicht betroffen. Wer einen Kredit mit festem Zinssatz abgeschlossen hat, muss diesen während der gesamten Laufzeit zahlen, unabhängig davon, wie die aktuellen Kreditzinsen sich entwickeln. Das kann von Nachteil sein, wenn die Zinsen allgemein fallen, aber von Vorteil, wenn die Zinsen wieder steigen.
Deshalb wurde in den letzten Jahren immer wieder dazu geraten, Kredite aufzunehmen. Die Zinsen waren bis vor einigen Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Kunden, die damals Kreditverträge abgeschlossen hatten, können bei den nun wieder angestiegenen Zinsen noch für viele Jahre von ihrem Vertrag profitieren. Der Leitzins wirkt sich im Kreditbereich hauptsächlich bei den kurzfristigen Dispositionskrediten der Girokonten aus. Bei den Sparzinsen sind von den Zinsentscheidungen der EZB ebenfalls nur die kurzfristigen Einlagen betroffen, also Tagesgeldkonten und eventuell Girokonten, wenn sie überhaupt verzinst werden. Festgeldanlagen über ein oder mehrere Jahre mit festem Zinssatz sind dagegen nicht betroffen. Auch hier kann das wieder von Vor- oder Nachteil sein, je nach dem, ob die Marktzinsen steigen oder fallen.
Wer sein Geld zum Beispiel vor ein oder zwei Jahren längerfristig zu dem damals üblichen niedrigen Zinssatz fest gelegt hat, steht nun schlecht da. Für Neuanlagen bekäme er nämlich wesentlich mehr Zinsen. Wenn jemand aber jetzt oder in einigen Monaten sein Vermögen gleich für mehrere Jahre anlegt, kann er möglicherweise von wieder fallenden Zinsen profitieren. Die EZB möchte einerseits zwar den Leitzins erhöhen, um die hohe Inflation einzudämmen; andererseits ist sie in Sorge um die Konjunktur in Deutschland, die durch die hohe Exportquote extrem abhängig ist von der Weltkonjunktur. Die globale Wirtschaft steht angeblich kurz vor einem Abschwung, was eine Senkung des Leitzinses notwendig machen könnte.