Die Inflation kommt schleichend und langsam, man bemerkt sie eigentlich erst, wenn man zurück blickt. Dass sie insbesondere Hartz IV und ALG II Empfänger trifft, bedarf wohl keiner Erläuterung. Aber sie trifft, auf eine subtile und nur in der Rückschau erkennbaren Art, auch die wirklichen Stützen unserer Gesellschaft, den Mittelstand. Nach dem Studium geheiratet, drei Kinder, Haus im Speckgürtel vor der Stadt, interessanten und mittelprächtig bezahlten Job in einem kleinen Planungsbüro. Keine großen Ansprüche, kleines Auto, keine aufwendigen Hobbys. Vor zehn oder fünfzehn Jahren konnte man damit “frei” leben. Im Supermarkt bückte man sich nicht nach den Schnäppchen, sondern legte den Wildlachs in den Korb. Der Urlaub ließ sich vom Girokonto bezahlen und man konnte darauf verzichten, seine Kontoauszüge zu prüfen oder in den Geldbeutel zu schauen. Wenn man nicht übertrieb, hat es einfach gereicht.
Und heute? Weihnachts- und Urlaubsgeld ersatzlos gestrichen. Die Gasheizung, die man vor zehn Jahren neu eingebaut hat, scheint heute keine wirklich gute Idee gewesen zu sein. Mal eben für ein verlängertes Wochenende an die See fahren? Nach einem Blick auf die Preisschilder der Tankstellen wirkt der Baggersee plötzlich ausgesprochen attraktiv. Der Wildlachs, eine schöne Erinnerung an eine vergangene Zeit. Heute ist zunächst der Blick in die Geldbörse fällig und anschließend der Gang zum Discounter. Auf die Rückenschule kann man jetzt auch verzichten, weil man sich oft genug bückt. Aber Schluss mit dem Jammern. Tatsache ist, dass die Kombination aus Neokapitalismus und Inflation gerade den Mittelstand sehr hart getroffen hat.
Ein wesentliches Problem ist, dass es kaum möglich ist, der Inflation zu entgehen. Sie schlägt besonders hart bei den Energiekosten und bei den Nahrungsmitteln zu. Aber egal, wie teuer der Sprit ist, die Fahrt zur Arbeitsstätte verkürzt sich nicht. Und wenn es im Winter frostig wird, kann der Gaspreis noch so hoch sein, ohne Heizung bekommt man eine Erkältung. Seit Beginn der Industrialisierung ist der Lebensstandard der “breiten Masse” mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen. Das ist nun für den Mittelstand (und natürlich noch mehr für die “kleinen Leute”) vorbei, die Inflation, der man nicht entkommen kann, hat zu einem dramatischen Rückgang der Lebensqualität geführt.